Was in der integrierten Leitstelle Passau gleich auffällt, ist die Zahl der Bildschirme. Die Mitarbeiter im Einsatzdienst haben gleich fünf von ihnen vor sich. Hier nehmen sie Notrufe an, überprüfen die Kapazitäten von Krankenhäusern, leiten Anrufe um und dokumentieren die Notrufe. Ihr Chef ist Sebastian Fehrenbach, er leitet seit der Gründung 2012 die Einrichtung.
In seiner Position hat er viel Verantwortung, schließlich landen alle Anrufe unter der Notrufnummer 112 aus Stadt und Landkreis Passau, Landkreis Rottal-Inn und Freyung-Grafenau in der Leitstelle am Fernsehturm. 220000 Meldungseingänge haben sie hier jährlich, sagt Fehrenbach. 10000 bis 15000 davon seien Fälle von Notrufmissbrauch. "Wobei da alles mit drin ist, auch der ‘Hosentaschenanruf‘." Insgesamt beobachtet er aber auch eine besorgniserregende Tendenz. "Die Hemmschwelle, den Notruf zu nutzen, ist in den letzten Jahren deutlich gesunken."
Sebastian Fehrenbach wuchs im Schwarzwald auf. Nicht gerade die nächste Ecke von Passau aus. Sein Großvater war allerdings Passauer, mit ihm besuchte er schon als Kind die Stadt und ging zum "Schifferlfahren". "Ich hatte Passau schon immer in positiver Erinnerung", sagt Fehrenbach. Mit 18 Jahren zog es ihn dann weg von daheim und er entschied sich seinen Zivildienst im Rettungsdienst in Passau zu absolvieren. Das war sein erster Berührungspunkt mit dem Bereich, seitdem hat ihn diese Welt nicht mehr losgelassen. Später kam noch eine Ausbildung im Feuerwehrtechnischen Dienst dazu.
Aber sein Berufsweg führte nicht geradlinig auf seine Position zu. In seinen 20ern war der 42-Jährige als IT-Experte für Beratung und Support von Windows und Apple-Produkten tätig. Dafür war er viel unterwegs, als er dann Vater wurde, wollte er wieder mehr Zeit zu Hause verbringen. Die Einrichtung der integrierten Leitstelle 2012 kam da genau richtig. Fehrenbach begleitete die Einrichtung der Stelle seit dem Beginn. Die hohe Technikaffinität aus seinem früheren Berufsleben hilft ihm auch heute noch weiter.
In seinem Beruf ist Technik essenziell und ein laufendes Projekt. Ständig kommen neue technische Fortschritte dazu, die dann auch in der Leitstelle genutzt werden. So muss beispielsweise die Hardware alle fünf Jahre getauscht werden. "Das ist bei uns wie eine Operation am offenen Herzen", sagt Fehrenbach. Dementsprechend arbeiten bei der integrierten Leitstelle Passau auch viele Techniker und Informatiker, die die Hardware und Software auf dem aktuellen Stand halten.
Für ihn ist die wichtigste Aufgabe die Betreuung seiner Mitarbeiter. "Die Mitarbeiter sind unser Kapital." Was oft nur eine abgedroschene Phrase ist, meint Sebastian Fehrenbach vollkommen ernst und setzt es im Arbeitsalltag um. Feedback und eine gute Fehlerkultur sind für ihn essenziell. Gerade bei den Mitarbeitern im Einsatzdienst ist das wichtig. "Der Beruf bringt ein sehr hohes Stresslevel mit sich. Deswegen finde ich es wichtig, dass das Arbeitsumfeld stressfrei ist." Wertschätzung ist für ihn das Zauberwort, denn die meisten seiner Mitarbeiter würden den Beruf aus Idealismus machen. Ein wertschätzender Umgang mit ihnen ist ihm daher besonders wichtig. "Ich hatte mal einen Vorgesetzten, der der Meinung war, dass Mitarbeiter ‘nachwachsende Rohstoffe‘ sind. Diese Meinung teile ich gar nicht. Mitarbeiterbindung ist für mich das A und O." Mittlerweile bilden sie bei der integrierten Leitstelle Disponenten, also die Mitarbeiter im Einsatzdienst, sogar selbst aus.
Eine gute Führungskraft zu sein, kann und muss man lernen, sagt Fehrenbach. Er selbst hat auch mehrere Fortbildungen besucht um seiner Rolle als Führungskraft bestmöglich gerecht zu werden.Seine Rolle definiert er als die des "Kümmerers". Er begleitet "seine Leute" auch durch die schweren Zeiten zum Beispiel bei Krankheiten oder Lebenskrisen. "Ich bin Teil eines Systems. In meinem Job geht es immer um Teamarbeit, es gibt keinen Einzelnen."
Das betrifft nicht nur die Mitarbeiter im Haus, sondern genauso auch die Menschen im Einsatz, mit denen immer eine enge Zusammenarbeit stattfindet. Das Zusammenspiel von Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst, Bergwacht, Wasserrettung und Luftrettung ist unerlässlich. "Diese verschiedenen Rettungsdienste sind unser Werkzeugkasten, auf den wir zurückgreifen können", sagt Fehrenbach. Mit der Polizei verbindet die Leitstelle eine direkte Leitung. "Mittlerweile ist es schon fast egal ob man 110 oder 112 wählt, wir verbinden dann einfach weiter."
Tagsüber ist die Zentrale immer mit mindestens fünf Mitarbeitern besetzt, nachts sind es drei. Psychisch herausfordernd ist der Beruf auf jeden Fall. Wenn Notfälle der Alltag sind, ist das belastend. Auch der Umgangston der Anrufer wird rauer. Beleidigungen und auch Bedrohungen sind keine Seltenheit mehr, berichtet Fehrenbach. Er hatte auch schon Fälle, die er angezeigt hat. Wenn Anrufer sich über Mitarbeiter beschweren, landet auch das auf seinem Schreibtisch. "Das Verhältnis von berechtigten zu unberechtigten Beschwerden liegt bei circa 1:10", sagt er.
Wenn es Probleme gibt, ist Fehrenbach immer erreichbar. "Es ist schon ein gutes Gefühl, dass ich ihn anrufen kann, wenn es größere Notfälle gibt oder ein technisches Problem", sagt der diensthabende Schichtführer. Auch nach Feierabend kann man ihn in Notfällen immer erreichen. "Mir ist das auch lieber, wenn ich in dringenden Fällen abends angerufen werde, als wenn sich das Problem über Nacht aufbaut. Ich muss mich ja ohnehin darum kümmern." Sebastian Fehrenbach ist der Meinung, dass seine Mitarbeiter den Job vor allem aus Idealismus machen. Wer ihm zuhört, realisiert schnell, dass für ihn das Gleiche gilt.
Quelle: PNP 21.09.2022 Charlotte Römer